Muhurthas in der indischen Astrologie

 - „Warum bläst Du denn die Fanfaren?“ -„Na, um die Löwen zu vertreiben.“
- „Aber hier gibt es doch gar keine Löwen“
- „Siehst Du?!“

Auch die westliche Astrologie kennt das Konzept von Zeitwahlhoroskopen (sog. Elektionshoroskope). „Wann ist eine (in der Zukunft liegende) Aktivität gemäß ihrer Natur kosmisch, also durch die entsprechende Formation am Himmel bestmöglich unterstützt“.

 Das prinzipielle Kalkül ist simpel: Erklimmt man einen Berg, wenn es stürmt, gewittert oder schneit, oder startet man unter solchen Umständen einen Segelturn? Natürlich nicht, sondern man wartet auf klare Sicht, und eine Wetterlage, die das Unterfangen ermöglicht. Plant man eine Operation, wenn man weiß, dass im Körper eine Entzündung ist? Organisiert man eine Hochzeitsfeier, wenn man weiß, dass sehr viele der Gäste zu dieser Zeit im Urlaub sein werden? Ebensowenig.

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Im Ursprung waren Muhurthas auf nur bestimmte spirituelle Handlungen beschränkt:

Die sogenannten Samskaras, von denen es 16 gab und in traditionell- hinduistischen Strömungen nach wie vor gibt:

Das erste Erstellen und Untersuchen des Horoskopes eines Neugeborenen, die Namensgebung des Neugeborenen, das erste eigenständige Verlassen des Hauses eines Kleinkindes, die Einnahme der ersten festen Nahrung, der erste Nagelschnitt, die erste Tonsur und einige andere mehr, bis hin zum bestmöglichen Moment, eine Ehe einzugehen, um eine eigene Familie zu gründen. All diese Zeitpunkte dienten der bestmöglichen Förderung spiritueller Entwicklungen vor dem Hintergrund hinduistischer Lebens-und Entwicklungszyklen.

Über die Jahrtausende wurde das Konzept dieser Berechnungen erweitert und ausgedehnt auf weltliche Belange: „Wann soll ich die berufliche Reise antreten“, „wann soll ich den Kaufvertrag unterschreiben“, „wann ist der beste Moment für den Erstbezug der Wohnung“, „für wann soll ich die Operation anmelden“ oder „wann soll ich die Kündigung einreichen“? 

Viele solcher Fragen bekam ich die letzten Wochen gestellt und viele Überlegungen, die ich dabei angestellt habe, bewogen mich zu dieser Untertextseite. Mehr für die Schüler, aber sicher auch für den astrologischen Konsumenten nicht ohne Belang. 

 Zunächst ist wichtig zu wissen, auf welcher Basis solche Horoskope berechnet werden. Für den astrologischen Anfänger sehr verwirrend besteht das Grundkonzept dieser Kalkulationen auf dem so genannten Panchang, dem lunaren Kalender nach dem siderischen Tierkreis. 

Panch steht für fünf, anga können wir u.a. als Säule übersetzen. Es sind deshalb fünf Faktoren, die jeden einzelnen Moment unserer Existenz in dieser Zergliederung beschreiben. Und so auch die energetischen und kosmischen Umstände, die ein künftiger Zeitpunkt abbilden wird, auf die man durch ein Muhurtha hin plant:

Das Tithi, der relative Abstand zwischen Mond und Sonne, der Vara, das ist der Wochentag, das Nakshatra, die jeweilige Fixsternkonstellation, in der sich der Mond gerade befindet, der Yoga, der die jeweilige Summe des Sonne- und Mondstandes im Tierkreis bildet und der Karana, der einen halben lunaren Tag darstellt.

 Professionelle Jyotish-Programme machen hier scheinbar die Arbeit sehr leicht, weil man zunächst das Horoskop des geborenen öffnet, sich dann den Muhurta Bildschirm anzeigt, dort die zu vollziehen da Handlung bestimmt, dann den Ort an dem sie vollzogen werden wird und dann einen Ampelmonitor vorfindet. 

Ein gutes Programm bietet bei den Handlungsimplikationen über 100 Auswahlkriterien und man muss natürlich überlegen welche vorbereitende Maßnahme überhaupt erst zu welcher Handlung führen kann. Beispielsweise gehört zu einem Hauskauf zunächst eine wirksame und fristgerechte Aufnahme eines Kredites bei einer Bank. Dies aber sind zwei völlig unterschiedliche Handlungen, die auch zwei eigenständige Muhurthas darstellen. Deshalb lohnt es sich immer wieder, diese Kriterien in Ruhe durch zu gehen und zu überlegen, zu welcher Konsequenz eine Handlung führt und inwieweit diese Handlungen voneinander abgegrenzt werden müssen. Denn die Aufnahme eines Kredites setzt andere Maßstäbe an dieses Horoskop als die Unterzeichnung eines Kaufvertrages. Einen Kredit Antrag kann ich jederzeit unterschreiben und wenn es mir die Sache wert ist, kann ich auch um 3:30 Uhr nachts aufstehen, ein kleines Ritual vollziehen, dann den Kreditantrag unterschreiben, um ihn Tags drauf an die Bank zu verschicken. In diesem Fall gilt als der rituelle Akt das Zurhandnehmen des Stiftes, mit dem ich bewusst unterschreibe.

Anders aber sieht es mit dem Akt des Kaufes aus: Hier brauche ich den Verkäufer, den Käufer, den Notar und hier stehe ich plötzlich auch unter dem äußeren Sachzwang, dass eine Notariatskanzlei eben an Öffnungszeiten gebunden ist, bzw. dass ich die Anwesenheit mehrerer Personen mit einkalkulieren muss. 

Wie dem Studenten indischer Astrologie nicht fremd sein dürfte, gibt es ein umfassendes Regelwerk, wie die Anatomie eines solchen Elektionshoroskopes aussehen muss, damit der Zeitpunkt wirklich günstig ist. 

Vollkommen klar ist, dass das gesamte Horoskop das Unterfangen nicht nur anzeigen, sondern auch stabilisieren und fördern muss. Aus dieser scheinbar sehr einfachen Formel leiten sich jedoch hunderte Grundregeln ab, die wir teils in unseren Kursen auch schon kennen gelernt haben. 

Logischerweise muss der Erzeugerplanet, der das Thema anzeigt (der Karaka), stark und günstig stehen. Weiterhin soll der Mond allein stehen, es soll kein Planet im selben Haus des Mondes stehen. Auch kein Wohltäter. Man kann sich leicht vorstellen, dass zu Zeiten wie diesen, in denen am Himmel ein Kala Sarpa Yoga steht, diese alleinige Regel das Auffinden enorm erschwert. Aktuell (Juni 2025) werden die Grenzen zwischen Wassermann und Löwe definiert. Im Wassermann steht Rahu im Löwen Ketu. Kaum steht der Mond im Steinbock, verbietet die Regel die Wahl eines solchen Muhurthas. Damit fällt die Hälfte eines Monats für die Wahl grundsätzlich weg. Und kaum ist der Mond in der Waage (womit er erstmals die Regel erfüllt, dass im zwölften Haus von ihm kein Übeltäter- auch kein Mondknoten stehen soll, was noch in der Jungfrau der Fall ist, den Ketu steht ja im Löwen), steuert er auch schon gleich wieder auf den Skorpion zu, wo er im Fall steht. 

Rein rechnerisch hätte ich also lediglich einen Waage-, einen Skorpion- oder einen Schützenmond zur Auswahl für alle möglichen Muhurthas. Meine Wahl beschränkt sich also auf die Nakshatras Citrā (aber nur den Anteil in der Waage), Swaati, Viśakhā, Anurādhā im Skorpion, sowie Mūla, und die beiden āṣāḍha-Nakshatras im siderischen Schützen (aber nicht über die Grenze im Steinbock hinaus).

Dass hierbei auch noch die strengeren Regeln beachtet werden müssen, einen wirklich stabilen Mond zu wählen und den Bereich Sandhi und Gandhanta dabei zu überspringen und sicherheitshalber 3°20´anstatt nur 1° anzunehmen, erscheint logisch. 

Weiterhin soll in einem solchen Muhurtha der Mond nicht im sechsten, achten oder zwölften Haus stehen. Das macht das Unterfangen um weitere 50% aller infrage kommenden Lagnas ungünstig: Derzeit besetzt jeder natürliche Übeltäter ein eigenes Zeichen. Im Löwen sind es aktuell sogar 2: Mars und Ketu.

Im jüngsten Fall, einer beidseitigen Hüftoperation, die für Spätherbst geplant werden soll, wurde es gar noch schwerer: Der organische Karaka für die Hüfte im feindlichen Zeichen und rückläufig in den Zwillingen. Und der Karaka für Vitalität, insbesondere für das Knochengewebe, den ich sehr gern stark gesehen hätte (Sonne), ist dann im Fall. Unter Beachtung der Sandhi- bzw. Gandantha- Regeln für die Sonne muss ich also die Zeit vom 13.10.2025- 20.11.2025 ignorieren. Hinzu kommt die logische Regel, dass der Lagna, der Mond und der Karaka um den es geht, nicht in schwächende Yogas eingebunden sein sollen und auch nicht von Übeltätern aspektiert werden darf oder in feindlichen Amsas oder Häusern stehen sollten. Und schlussendlich operieren in Krankenhaus die Chirurgen von 8-16 Uhr. Komplikationen und Krankheitsfälle nicht mitgedacht. Samstag und Sonntag ausgenommen. Im angesprochenen Fall haben diese Umstände dazu geführt, dass ich der Klientin beinahe hätte abraten müssen, diese Operation durchführen zu lassen. 

Ich bin daraufhin zwei Schritte zurück gegangen, habe die Haupt- und Unterphasensequenz geprüft und flankierend das Jahreshoroskop untersucht.

Fazit: die vererbte und damit veranlagte schwäche des Hüftgelenkes ist bereits im Geburtshoroskop zu erkenen. Jupiter als Karaka ist der Herrscher des neunten Hauses (Hüftgeleke) und gleichzeitig des sechsten Hauses (Erkrankungen und Probleme sowie Operationen). Und er steht rückläufig im Lagna, beeinträchtigt also die physische Gesundheit der Klientin generell im Leben. Und er wurde jüngst ausgelöst. Das Jahreshoroskop bestätigt einen medizinischen Eingriff. In einem solchen Fall kann ich weder von freien Willen noch von Wahlfreiheit sprechen. Der Eingriff muss einfach sein, weil die Lebensqualität der Klientin einen solchen Tiefpunkt erreicht hat, dass die Operation absolut unumgänglich ist. Anstatt aber nun ein sehr kompromissbeladenes Muhurtha mit einer geringen positiven Punktzahl und somit auch einer sehr geringen Aussicht, den Eingriff positiv zu beeinflussen, aus dem Hut zu zaubern, habe ich der Klientin geraten, dass das Vertrauen in den Operateur, die Klinik, die eigene Zuversicht und die Umstände in diesem Spezialfall wichtiger sind, Als eine astrologisch kalkulierte Bestmarke zu Grunde zu legen. Denn wenn der Eingriff wirklich unabwenbar ist, das Natalhoroskop, das Jahreshoroskop und die Transite dieses Ereignis anzeigen und zudem absolut kein Muhurtha gefunden werden kann, ist eine Grenze erreicht, an der ich mir 3 Dinge eingestehen muss:

A) Unser Wille ist oft nicht so frei wie wir es uns gern erhoffen. Oftmals findet sogar der bloße Wunsch wenig Platz.
B) Manchmal muss auch der ambitionierteste Astrologe sich eingestehen, dass er trotz allen Bemühens die Grenze des Machbaren nicht überschreiten kann, auch wenn er das Wohl seines Klienten noch so sehr im Mittelpunkt sieht.
C) Am Ende siegen oft die Sachumstände und Rahmenbedingungen (die aber ganz sicher ebenso karma-phal sind) über das astrologischen Know how. Die Klientin ist Kassenpatientin, und inwieweit der Wunsch nach einem konkreten Zeitpunkt im Operationsplan überhaupt berücksichtigt würde, bleibt fraglich. (Komplikationen im Operationsplan - und Ablauf wiederum nicht mit einberechnet).

INSTITUTION

Marcello Alessandro Michelutti

Praxis für Jyotish
(vedisch/indische Astrologie)

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